Unsere Strategien gegen Rechtsradikalismus beschränken sich gewöhnlich auf den kognitiven Bereich. Wir analysieren, argumentieren, nennen Ursachen, stellen historische, politische, soziale Zusammenhänge her und vertrauen darauf, dass sich Vernunft und Moral am Ende durchsetzen werden. Wenn aber immer noch wahr ist (und alles spricht dafür), was Saul Friedländer in seinem Essay „Widerschein des Nazismus“ schon 1982 festgestellt hat: dass „die Attraktivität des Nazismus … keineswegs nur in seiner explizit propagierten Doktrin [lag], sondern mindestens ebenso auch in der Kraft seiner Emotionen, in den von ihm geweckten Bildern und Phantasmen“, dann ist es nicht nur für Historiker interessant, herauszufinden, auf welcher Ebene des Unbewussten der Nationalsozialismus seine Zeitgenossen so stark angesprochen hat, dass sie in der Lage waren, die Realität von Krieg und Unterdrückung bis zuletzt zu leugnen. Hier findet sich womöglich auch eine Erklärung dafür, warum er seine Attraktivität für bestimmte gesellschaftliche Randgruppen bis heute nicht verloren hat.
Politisch spielt die extreme Rechte zwar kaum eine Rolle, doch sie barbarisiert die Zivilgesellschaft, beschädigt ihr Selbstverständnis. Rechtsextreme Gruppierungen bewegen sich nach wie vor in Vorstellungswelten, die Reflexe der wahnhaften Realitätswahrnehmung des „Dritten Reiches“ sind. Es handelt sich um Phantasmen, um gefälschte Wirklichkeiten (Baudrillards „Simulakren“), die uns nicht zu beunruhigen bräuchten, wäre das Modell nicht ein „Reich des Bösen“. Um dieser Vergiftung des Denkens und Fühlens, die gesellschaftlich nicht folgenlos ist, beizukommen, reicht Aufklärung nicht aus. Die Inhalte Rassismus und Deutschtümelei sind die „contents“, die mittels eines visueller Codes tradiert werden: Stereotypien, emotional besetzte Symbole, Rituale, die man zeigen und als Erkennungsmerkmale interpretieren kann. Die Tatsache, dass Filme einerseits Geschichte behandeln, andererseits ihre eigene Entstehungszeit widerspiegeln, versetzt uns in die Lage, den Konnotationen der Bilder nachzuspüren und ihre verborgenen Botschaften aufzudecken. Je größer der Abstand zum „Dritten Reich“ wird, desto stärker wird die Tendenz, einen Mythos mit der historischen Wirklichkeit zu verwechseln.
Es sind ja nicht nur Neonazis, die sich mittels bestimmter Zeichen und Rituale verständigen. Auch Randgruppen wie Hell’s Angels und Hooligans gründen ihre Freund-Feind-Parallelwelt auf Elemente des Nazi-Mythos. In diesen Fällen handelt es sich um Bündnisse mit aggressiver Zielsetzung. Doch selbst die harmlosen Gruftis verwirklichen in ihrer nekrophilen Selbstinszenierung einen Zug, der im Nationalsozialismus besonders stark ausgeprägt war: die Verbindung von Kitsch und Tod (Friedländer). Allerdings sollte man die Tendenz einer offenen Gesellschaft, alles konsumierbar zu machen und stets nach Neuem zu suchen, nicht mit Ideologisierung verwechseln. In der Popkultur sind Symbole, die anderswo als Entréebillet zu konspirativen Zirkeln gehandelt werden (Hakenkreuz, Hitlergruß), nichts als Provokationen, die Aufmerksamkeit erregen sollen und eine sehr kurze Verfallszeit haben.
Den modischen „Nazi-Trash“ von den rechtsradikalen Symbolen unterscheiden zu lernen, die einen antizivilisatorischen Mythos transportieren, ist eines der Ziele unserer Vortragsreihe, die sich an Pädagogen mit dem Unterrichtsfach „Film“ wendet. Es geht uns darum, Lehrer und Schüler für den latenten Faschismus-Kult in den Medien zu sensibilisieren, der oft auch in Filmen zum Zug kommt, die sich als ideologiekritisch verstehen. Wir möchten die Interpretierbarkeit von Bildern und Symbolen als kulturelle Zeichen (Umberto Eco) benutzen, um die oft unbewusste Kontamination mit rechtsradikalem Gedankengut in großen Teilen unserer Gesellschaft aufzudecken.